Eigentlich sollten NACHTMAHR bereits am 27.11.2021 mit der Beweg Dich! Tour in der eigenen Hauptstadt Wien einkehren. Doch ein weiterer Lockdown sorgte für eine Verschiebung dieser Veranstaltung. Ein halbes Jahr später war es nun endlich soweit und der Flieger Richtung Süden startete, um uns von Deutschland in die österreichische Hauptstadt zu bringen, um Thomas Rainer und Vrolok LaVey im Ursprungsland von NACHTMAHR live auf der Bühne zu erleben.
Eine Woche zuvor füllten NACHTMAHR noch das „Salle de Fête" auf dem Plage Noire an der Ostsee mit hunderten von Menschen. Eine derartige Menschenmasse hätte den Platz vor der Bühne des „ESCAPE Metal Bar - Live Club" in Wien jedoch zum Bersten gebracht, denn dieser war mit 130 Zuschauern bereits sehr gut gefüllt. Da es unser erstes Konzert im Heimatland von NACHTMAHR war, und wir alle eher die ausverkauften Konzerte in Deutschland gewöhnt sind, war die erste Überraschung doch recht groß, wie klein die Halle war. Doch wie bereits Falco, bürgerlich Johann Hölzel, feststellte: „In Wien, musst erst sterben, dass dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang."
Soweit ist es bei NACHTMAHR zum Glück noch nicht. Doch bevor die Show beginnen konnte, eröffneten zunächst Massenhysterie den Abend und sorgten mit dem Titel „Panzerschokolade" bei manchen Zuhörern für einen bleibenden Ohrwurm. Nach dieser kurzen Gothicschlagerparade betraten Thomas Rainer und Vrolok LaVey die kleine Bühne, nahmen ihre Plätze ein und stimmten mit „Nicht wie sie" die Menge auf den bevorstehenden Abend ein. Auch wenn es nicht Thomas Rainers Aufgabe ist, eine Anleitung für seine Kunst zu liefern, wirkte dieses Lied doch teilweise so. Zumindest ist es seine Antwort auf die stetig anhaltende und unbegründete Kritik gegen NACHTMAHR im Netz.
NACHTMAHR ist seit jeher umstritten und missverstanden. Die Geschichte des Projektes des österreichischen Musikers, der unter anderem an L'Âme Immortelle und Siechtum mitwirkt, ist von anhaltenden Diskussionen um die als totalitär wahrgenommene ästhetische Ausrichtung begleitet. Auch wenn das Konzert am 14.05.2022 nicht von den typischen „Mädchen in Uniform", also uniformell gekleidete Tänzerinnen (#nachtmahrgirls), begleitet wurde, so waren trotzdem im Zuschauerbereich viele entsprechend der Textzeile „Haare streng zurück gekämmt, Adrett in Stiefel, Schlips und Hemd" gekleidet. Doch genau dies sorgt für die nicht enden wollende - häufig unreflektierte - Kritik an NACHTMAHR. Dabei ist die militärische und totalitäre Ästhetik nicht neu, sie wurde bereits mit Laibach in die Szene eingeführt. Auch Funker Vogt nutzt ähnliche Elemente. War schon mal jemand auf einer EBM-Party? Obwohl Thomas Rainer den Vorwürfen der Verherrlichung des Faschismus und Nationalsozialismus stets entgegnete, dass weder NACHTMAHR noch er selbst einen ideologischen Bezug zum Nationalsozialismus haben, wollen dies seine Kritiker nicht wahrhaben. Es ist halt einfacher ein einmal geschaffenes Feindbild zu erhalten, anstatt sich mit den Werken von NACHTMAHR tatsächlich mal auseinanderzusetzen. Und so stimmten die beiden Künstler genau dieses Lied „Feindbild" als nächsten Track an.
Insoweit wirkten die ersten beiden Titel der Setlist ein wenig, wie eine Anklage an die immer noch nicht abebbende und substanzlose Kritik. Dies tat der Stimmung im Escape aber keinen Abbruch. NACHTMAHR kann die Menge begeistern und so folgte auch der Titel „Weil ich's kann".
Im Anschluss folgten „Mein Name" und der Tanzbefehl „Beweg dich!" in das Kellergewölbe, in welchem bereits der Schweiß von der Decke tropfte. „Gehorsam" setzten die Zuschauer auch diesen Befehl um, um zur Belohnung bei „Mädchen in Uniform" ein wenig verschnaufen zu können. Doch gerade bei diesem Lied wurden Amarantha und Thenia auf der Bühne von der Menge sichtlich vermisst.
Mit „Liebe, Lust und Leid" und „Geister" vom neuen Album „Stellungskrieg"* [WERBUNG] wurden den Fans eine neue Facette von NACHTMAHR präsentiert. Vrolok LaVey trat hinter dem Keyboard mit einer E-Gitarre hervor. Gitarrenklang ist in der elektronischen Musik von NACHTMAHR eine Neuheit, fand aber allgemein sehr guten Anklang. Das ist definitiv noch ausbaufähig.
Danach wurde es mit „Die Fahnen unserer Väter" klassisch, was bei den österreichischen Fans, welche gut 1/3 der Zuschauerschaft ausmachten, gut ankam. Zu „Dunkle Wasser" konnten dann alle Zuhörer etwas verschnaufen, während sich die Halle immer weiter aufheizte. Mit der Ruhe war es aber schnell vorbei, als der Ziegensauger, spanisch „El Chupacabra", ein lateinamerikanisches Fabelwesen, das Kleinvieh wie Ziegen oder Schafe gleich einem Vampir in die Kehle beißt und dann das Blut aussaugen soll, angestimmt wurde.
Die Beats von „Can you feel the beat?", „Faustpfand" und „BoomBoomBoom" erschütterten im Anschluss die kleine Halle und die Klänge dürften in der darüber liegenden Metal-Bar für einige Verwirrung gesorgt haben. Doch der „Tanzdiktator" war mit seiner Show noch nicht am Ende, auch wenn einige seiner Fans bereits zu zerfließen schienen. Diese konnten bei „I hate Berlin" wieder etwas kurze Erholung finden, bevor die Industrial-Orgie mit „Katharsis" und „Krieg" tatsächlich sein Ende für diesen Abend fand.
Die Playlist zur Setlist: https://open.spotify.com/
Nach den schwierigen Zeiten der letzten beiden Jahre und der stets schwankenden gesetzlichen Vorgaben konnten wir ein wundervolles Konzerterlebnis in Wien miterleben. Auch wenn die Halle nicht erst am Ende des Konzertes einer Sauna glich. Dies macht Lust auf mehr „Beweg Dich!" und die Tour startet in Deutschland erst im September in München. Wer noch kein Ticket hat: Kaufen! Die offiziellen Fantickets für die "Beweg Dich!" Tour können unter https://nachtmahr.deinetickets.de * [WERBUNG] bestellt werden.